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Auflösung
textile, sound
Galerie Historischer Keller Spandau
Berlin
2021

In ihren Arbeiten untersucht die Künstlerin, wie sich Identitäten in gesellschaftlichen Systemen fortlaufend konstruieren und deckt darunterliegende Bedingungen und Ambivalenzen auf. Das Motiv der
Zersetzung und des physischen Verfalls ist ein zentrales Thema von Burlygas Arbeit. Sie arbeitet vorwiegend installativ mit den Medien Textil und Sound und fragt dabei nach der Möglichkeit von
Bedeutungsveränderungen. Die deutsche Geschichte und Symbolsprache dienen hierbei wiederholt als Referenzen in ihrem Arbeitsprozess.


In ihrer ortsspezifischen Installation 0000100100 nimmt Burlyga die Geschichte des Ausstellungsraumes und Spandaus als ehemaliger Garnisonsstadt als Ausgangspunkt. Sie präsentiert das steinerne Kellergewölbe in neuem Gewand. Der gesamte Boden ist mit einem bunten Teppich bedeckt. Ein Farbblock reiht sich an den nächsten bis auch die kleinste Nische des verwinkelten Kellerbodens verhüllt ist. Die Wirkung des farbenfrohen Gewands wird von einer abstrakten Soundcollage gebrochen. Hin und wieder erinnert der Sound an bekannte Melodien, zerfließt aber schnell in abstrakte Klänge.
Die bunten Felder des Teppichs sind nicht etwa beliebige Trikolore. Wir sehen die Farben der deutschen Nationalflagge, nur in ihre Bestandteile zerlegt. Mit der Nationalflagge wird eines der wichtigsten Staatssymbole trotz raumgreifender Präsenz unkenntlich. Die Künstlerin spielt mit den Farben Schwarz-Rot-Gold und zerlegt sie in die Grundfarben RGB und CMYK. Sie folgt den Nachbildern der Farben und Flaggen oder mischt sie neu. Analog dazu führt uns die Künstlerin in ihrer Soundcollage durch große Momente der letzten hundert Jahre deutscher Geschichte. Historische Tonaufnahmen, wie etwa vom Mauerfall, oder berühmte Musikstücke werden seziert, neu vertont und eingespielt. Der abstrakte, beinahe zermürbende Klangteppich wird von melodiösen Intervallen unterbrochen. Sie erinnern entfernt an eine vertraute Melodie, doch die Zuordnung will nicht gelingen. Burlyga zerlegt hier an mehreren Stellen der Sound-Arbeit die Nationalhymne in ihre Bestandteile und reinterpretiert sie in verschiedenen Genres. Alles löst sich in Störgeräusche und fremdartige Klänge auf.


Burlyga greift in ihrer ortsspezifische Installation den Flaggen-Mythos Barbarossas auf. Um Kaiser Friedrich I. - wegen seines roten Bartes besser bekannt als Barbarossa - ranken sich viele Legenden. Einem Mythos zufolge ließ Barbarossa bei seiner Krönungszeremonie zum römisch-deutschen König im Jahr 1152 die Strecke vom Frankfurter Dom bis zum Römerplatz mit einem schwarz-rot- goldenen Teppich auslegen. Nach der Krönung wurde dieser Teppich in kleine Stücke zerschnitten und zerrissen und als Andenken an die Bevölkerung verteilt. Auch in der Ausstellung Auflösung können die Besucher:innen Teile des Teppichs mit nach Hause nehmen. Anstatt der Erinnerung an eine Manifestierung nationalstaatlicher Symbole, werden sie hier an deren Zersetzungsprozess beteiligt. Mythos und Realität verschwimmen. Die Auflösung der Symbolik ist der erste Schritt des Aufbrechens der darunter liegenden Konzepte wie Tradition, Heimat und Identität, die Burlyga in ihrer Arbeit immer wieder hinterfragt.